Potsdamer Konferenz - Forum V

Claudia Nussbauer

Chancengleichheit in der Weiterbildung statt lebenslanger Auslese

- Bericht aus dem Forum V -

"Chancengleichheit ist ein unerledigtes Thema - auch in der Weiterbildung" - das war zugleich der Ausgangspunkt und das Fazit der Diskussion im Forum V unter der Leitung von Peter Faulstich und Christiane Schiersmann. Dazwischen lag eine engagierte Diskussion, die neben einzelnen Divergenzen die Einigung auf drei zentrale Forderungen hervorbrachte:

Eine Bundesrahmenregelung soll einheitliche Qualitätsstandards und den Zugang für alle Weiterbildungsinteressierten sichern,

Weiterbildungsverbünde sollen bei der Verwirklichung dieses Ziels helfen und der Umbau der Förderinstrumente soll dafür sorgen, dass sie wirklich für alle förderlich sind.

In seiner Einleitung bekräftigte Peter Faulstich, dass Chancengleichheit trotz der immer größeren Weiterbildungsbeteiligung keinesfalls ein altes Thema sei. Vielmehr zeigen alle Untersuchungen, dass bei steigender Teilnahme die alten Unterschiede vertieft werden.

Eine grundsätzliche Begriffsklärung nahm als erster Referent Andreas Seiverth vor. Er zeichnete die Entwicklung des Sozialstaats mit seiner Verantwortung für die Bildung aller als "Geschichte von Zerstörung und Regression" nach. Die zunehmende Individualisierung sorge für eine Auflösung der Zusammenhänge, in denen Bildung bisher stattgefunden habe. PolitikerInnen wie die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher hätten bewusst auf Individualisierung gesetzt. Für Seiverth ist auch selbstgesteuertes Lernen die Umsetzung eines solchen "neoliberalen" Konzepts.

In den politischen Debatten gehe es immer weniger um Akteure, sondern um Entwicklungen, etwa im Bereich der neuen Medien, deren Beweggründe nicht mehr genannt würden, die aber einen hohen Anpassungsdruck ausübten. Diesem ökonomisch begründeten Individualismus stellte er die Position aus dem Sozialstaatspapier der beiden großen christlichen Kirchen von 1997 entgegen: Es müsse noch eigenständige Werte unabhängig vom Effizienzdruck geben. Seiverths Neoliberalismus-These blieb im Forum umstritten.

Die TeilnehmerInnen argumentierten, unter veränderten Verhältnissen sei selbstgesteuertes Lernen durchaus zu begrüßen und als Recht des Individuums auf Selbstbestimmtheit zu betrachten. Chancengleichheit, so das Argument, sei das Eintreten für individuelle Rechte und Solidarität. Allerdings berge die Verwirklichung von Chancengleichheit auch Risiken: Der verbreiterte Zugang zu Bildung erhöhe den Konkurrenzdruck und entwerte die erworbenen Qualifikationen. Daher dürfe eben nicht nur das einzelne Individuum gefördert werden - parallel sei immer der Blick auf die Weiterentwicklung der gesamten Gesellschaft nötig.

Eine Bundesrahmenregelung soll einheitliche Qualitätsstandards und den Zugang für alle Weiterbildungsinteressierten sichern.

Nach dieser grundsätzlichen Debatte führte Christiane Schiersmann in die Betrachtung des Gender-Aspekts in der Weiterbildung ein. Sie verdeutlichte in ihrem Referat, dass die Weiterbildungschancen der Frauen trotz ihrer zahlenmäßig hohen Beteiligung weiter eingeschränkt sind. 47 % der Frauen und 49 % der Männer nahmen zwar 1997 an Weiterbildung teil, dennoch gibt es, so Schiersmann, weiterhin ein "Spannungsfeld zwischen Interesse und Zugang" zum lebenslangen Lernen. Sie splittete ihre Betrachtung in allgemeine und politische Weiterbildung auf der einen Seite und berufliche Weiterbildung auf der anderen Seite auf.

So gab es Anfang der 90er-Jahre eine Überrepräsentanz von Frauen in der allgemeinen Weiterbildung. Drei Viertel der VolkshochschulteilnehmerInnen sind Frauen. Wichtig sei aber, so Schiersmann, was Frauen in Weiterbildungsveranstaltungen lernen: Ganz oben auf der weiblichen Hitliste stehen Gesundheitsbildung und Hauswirtschaft, weit abgeschlagen landen Mathematik und Naturwissenschaften. In dieser Verteilung spiegele sich neben der traditionellen Frauenrolle ein starkes subjekt- und körperorientiertes Interesse wider. Für Schiersmann hat die zweite Frauenbewegung der 70er-Jahre eine Ausweitung dieses Themenfeldes initiiert.

Seit dem Ende der 80er-Jahre gehen die frauenspezifischen Angebote allerdings wieder zurück. Dies hängt nicht nur mit dem Rückgang der Förderung, sondern auch mit der Verlagerung der Interessen zusammen. Frauenthemen, so Schiersmann, stehen nicht mehr im Vordergrund, sondern werden zu "einem Thema unter vielen". Nicht nur die gesellschaftlichen Mechanismen zur Ausgrenzung von Frauen sind subtiler geworden, auch die Entsolidarisierung unter den Frauen hat zugenommen. Unter dem Motto "Einige haben es geschafft" finde eine Ausdifferenzierung beispielsweise zwischen Familienfrauen und Vollzeiterwerbstätigen ohne Kinder statt.

Probleme wie das der Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden nicht gesellschaftlich diskutiert, sondern als Privatangelegenheit der Frauen verhandelt. Auch in der Weiterbildung vermisst Schiersmann einen öffentlichen Diskurs über Geschlechterrollen. Zusätzlich stelle das Prinzip des Gender-Mainstreaming frauenspezifische Weiterbildungsangebote infrage. Im Bereich der allgemeinen und politischen Weiterbildung müsse daher, so die Referentin, erneut nach den Bildungsinteressen der Frauen geforscht werden.

In der beruflichen Weiterbildung lässt die Beteiligung von Frauen qualitativ und quantitativ weiterhin zu wünschen übrig. Dies ist um so gravierender, als Frauen auf dem Arbeitsmarkt ohnehin benachteiligt werden. Weiterbildung könnte dieses Defizit ausgleichen. Aber auch hier hapert es am Zugang. Nur 19 % der Frauen nehmen an beruflichen Weiterbildungsveranstaltungen teil - bei den Männern liegt der Anteil bei 28 %. Dabei ist die Beteiligung auch bei den Frauen unterschiedlich ausgeprägt: Schiersmann konstatiert eine höhere Weiterbildungsbereitschaft etwa bei gut qualifizierten Frauen aus den fünf neuen Ländern. Dagegen sind teilzeitbeschäftigte Frauen unterproportional in Weiterbildungsveranstaltungen zu finden. Auch Familienfrauen sind unterrepräsentiert.

Nur 19 % der Frauen nehmen an beruflichen Weiterbildungsveranstaltungen teil - bei den Männern liegt der Anteil bei 28 %.

Insgesamt gilt für alle Frauen, dass sie seltener als Männer in betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen vertreten sind. Wenn sie teilnehmen, dann meist zur kurzfristigen Einarbeitung in neue Technologien. Traditionell sind betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen an den Bedürfnissen einer qualifizierten (männlichen) Belegschaft orientiert. Hinzu kommen Vorurteile der meist männlichen Vorgesetzten über die Weiterbildungsbereitschaft von Frauen. Auch betriebliche Frauenförderprogramme sorgen eher für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als für die Weiterqualifizierung der beschäftigten Frauen.

Veränderungen in der betrieblichen Weiterbildung sind daher, so Schiersmanns Fazit, nur durch Gender-Mainstreaming zu erreichen. Gerade für Frauen gelte, dass die Wechselwirkungen zwischen den beruflichen Anforderungen und der Lebenssituation in der Ausgestaltung der beruflichen Weiterbildung beachtet werden müsse. Ansonsten drohe eine noch weitergehende Individualisierung und Privatisierung von beruflicher Weiterbildung und ihren Kosten wegen der diskontinuierlichen Erwerbsbiografie von Frauen. Hier sei ein "präventives Gegensteuern" nötig.

Dass sich der Aufwand lohnt, stellte Schiersmann ebenfalls klar: Frauen zeigen eine hohe Bereitschaft, an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Allerdings gelinge es ihnen bisher noch kaum, daraus auch Profit zu schlagen.

In der Diskussion bestätigten und ergänzten die ForumsteilnehmerInnen Schiersmanns Befunde. Die Ausbildung in "klassischen Frauenberufen" im dualen System sichere meist keine lebenslange Erwerbstätigkeit. Daher müssten gezielte Weiterbildungsstrategien etwa für Verkäuferinnen oder Friseurinnen entwickelt werden. Hier bestehe auch weiterer Forschungsbedarf. Auch eine Verbesserung der Weiterbildungsberatung wurde als Forderung formuliert. So berichtete eine Vertreterin der Berliner Einrichtung "Kobra" von zahlreichen Frauen, die in Sozialberufen tätig sind und aussteigen wollen. Für sie gibt es ebenso wenig ein Angebot wie für Frauen in Büroberufen, die in den sozialen Bereich wollen. Das Bildungssystem lasse solche Umstiege bisher nicht zu. So werden Frauen ab 35 nicht mehr für technische Berufe qualifiziert. Auch der Arbeitsmarkt, ergänzte Christiane Schiersmann, zeige sich hier "widerständig".

Die These, dass Frauen jede Weiterbildungschance nutzen, bestätigte auch Carla Cremer, Referatsleiterin im schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministerium. Dort ist die Weiterbildung seit 1996 angesiedelt. Cremer erläuterte im Forum die Neuorganisation der Weiterbildungslandschaft in Schleswig-Holstein. Kiel fördert lockere Zusammenschlüsse. Voraussetzung für die Finanzierung solcher Verbünde ist, dass sie sich der allgemeinen, politischen und beruflichen Bildung widmen, dass eine Institution aus ihrer Mitte Ansprechpartnerin für das Land ist, und dass ein gemeinsamer Aufgabenkatalog vorliegt. Die Finanzierung der Verbünde ist als Dauerförderung angelegt.

Jeder Verbund erhält etwa 140.000 DM im Jahr. Darüber hinaus, so Cremer, wünsche sich die Landesregierung einen Diskurs mit der Wirtschaft über ihre Verantwortung für die Weiterbildung. Die Arbeitgeber beschafften sich qualifizierte Beschäftigte derzeit vor allem "vom Markt" und investierten nicht genug in die Weiterbildung ihrer MitarbeiterInnen. Dass Schleswig-Holstein nicht - wie im rot-grünen Koalitionsvertrag vorgesehen - ein eigenes Weiterbildungsgesetz entworfen hat, sieht Cremer nicht als Nachteil. Mit gesetzlichen Regelungen komme man bei der rasanten Entwicklung der Weiterbildungsangebote und -strukturen ohnehin kaum hinterher. Außerdem bedeute der Verzicht auf ein Gesetz nicht automatisch den Verzicht auf staatliches Handeln, wie die Anforderungen an die Weiterbildungsverbünde zeigten.

Dass Frauen aus ihrer zunehmenden Bildungsbeteiligung wenig Nutzen für Beruf und Karriere ziehen können, fasste Ekkehard Nuissl von Rein, Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung, in einer These über den Zusammenhang von Bildung und Arbeitsmarkt zusammen. Je weniger Bildung eine Platzzuweisungsfunktion im Beschäftigungssystem übernehme, desto weniger gesellschaftliche Effekte bewirke Chancengleichheit in der Bildung. Dies war eine Quintessenz seines Referates zum Thema "Institutionelle Voraussetzungen erhöhter Chancengleichheit". Dennoch brach er eine Lanze für die traditionellen Institutionen der Weiterbildung. Lernen in Institutionen sei trotz aller Vorteile selbstgesteuerten Lernens unverzichtbar.

Bildungsinstitutionen trügen zur Orientierung bei und hätten auch eine soziale Funktion. Gerade Weiterbildungsinstitutionen seien zudem beweglicher als andere Einrichtungen. Dazu trage unter anderem bei, dass in der Weiterbildung nur etwa 80.000 Hauptamtlichen etwa 500.000 NebenberuflerInnen gegenüber stehen. Der vorhandene Lernbedarf sei durchaus in Institutionen zu befriedigen. Die Volkshochschulen sind, das beweist die Statistik, die Weiterbildungsinstitution für Frauen in der Familienphase. Diese Gruppe von Frauen meldet sich vor allem im boomenden Gesundheitsbereich an.

Je weniger Bildung eine Platzzuweisungsfunktion im Beschäftigungssystem übernimmt, desto weniger gesellschaftliche Effekte bewirkt Chancengleichheit.

Ungleichheit sieht Ekkehard Nuissl von Rein vor allem beim Zugang zu den neuen Medien. Die Einstiegsvoraussetzungen seien hier sehr hoch und provozierten neue Differenzen, auch zwischen Männern und Frauen. Eine Benachteiligungsdiskussion wie in früheren Jahren gebe es in den Volkshochschulen allerdings kaum noch. Heute würden vor allem Finanzierungs- und Strukturfragen diskutiert. Er empfahl die Entwicklung von Politikstrategien, um mit der neuen Ungleichheit umzugehen. Dabei unterschied er zwischen drei Mustern, auf die reagiert werden müsse:

  1. Benachteiligung, d.h. die gezielte Behinderung von Weiterbildungsinteressierten,
  2. Unterrepräsentanz, wenn die Angebote an den Interessen der potenziellen TeilnehmerInnen vorbei gehen, und
  3. Nachteil als Strukturmerkmal.
Gerade die Strukturen, so ergab die Diskussion, bringen Frauen in der Weiterbildung häufig um ihre Chancen. Die Förderinstrumente etwa in der beruflichen Bildung sind allzu sehr auf die männliche Erwerbsbiografie der lebenslangen Vollzeittätigkeit ausgerichtet. Für Frauenbelange sind sie wenig förderlich, betonten die TeilnehmerInnen. Zum Thema Finanzierung ergänzte Peter Faulstich, dass die viel diskutierten Bildungsgutscheine die soziale Selektivität noch erhöhen.

Nur bestimmte soziale Schichten sind in der Lage, die Bildungskarriere ihrer Kinder vorausschauend zu planen. Bildungssparen wird für viele nicht nur zum ökonomischen Problem, sie haben häufig schlicht nicht gelernt, für die Investitionen in Erstausbildung und Weiterbildung Geld "auf die hohe Kante zu legen." Zudem werfe Weiterbildung nicht nur individuellen, sondern auch gesellschaftlichen Nutzen ab, betonte Faulstich. Hier sei daher auch öffentliches Engagement gefragt.

Theo M. Länge brachte den Aspekt ein, welche Probleme und Chancen die Multikulturalität für die Weiterbildung aufwirft. Dabei stellte er an den Beginn eine so ehrgeizige wie optimistische Zielvorstellung: Aus dem Zusammentreffen zweier Kulturen entstehe in der Weiterbildung, wenn sie gelinge, ein neues Drittes. Länges Bestandsaufnahme zum Thema Multikultur in der Weiterbildung fiel dagegen ernüchternd aus. Chancengleichheit für MigrantInnen gebe es bisher weitgehend nicht, lautete seine Eingangsthese. Die Arbeit mit MigrantInnen stehe zudem keineswegs im Mittelpunkt der Weiterbildung. Ihre Teilnahmequote sei daher auch gering.

In der beruflichen Weiterbildung nehmen Menschen mit ausländischer Herkunft überwiegend an Anpassungsmaßnahmen teil, in der allgemeinen Weiterbildung geht der Löwenanteil in die Sprachkurse. Hier kritisierte Länge die öffentliche Sprachpolitik als widersprüchlich: AussiedlerInnen, ArbeitsmigrantInnen und Flüchtlinge erhielten sehr unterschiedliche Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache. Interkulturelle Bildung, bei der sich Deutsche und MigrantInnen begegnen könnten, sei, so Länge, immer noch keine Pädagogik für den Normalfall geworden.

Vielmehr hätten interkulturelle Projekte häufig eine "Feuerwehrfunktion" und orientierten sich zu oft an der Perspektive der Deutschen auf das Fremde. Auf der Grundlage der Erfahrungen bei "Arbeit und Leben", wo MigrantInnen immerhin 10 % der TeilnehmerInnen stellen, formulierte er Anforderungen an eine interkulturelle Weiterbildung:

  • Zum einen müsse die Alltagsarbeit ebenso gut finanziert werden wie bisher bestehende erfolgreiche Modellprojekte, dazu seien mehr Mittel nötig.
  • Zweitens hält er engagierte ausländische MitarbeiterInnen für unverzichtbar und
  • drittens betonte er die Erfahrung, dass niedrigschwellige Angebote und ein lebensweltlicher Ansatz den Zugang erleichtern.
Die Politik, so Länges Forderung, müsse diese Rahmenbedingungen und die nötige Finanzierung sichern. Die ForumsteilnehmerInnen betonten außerdem, dass der Blick auf die Weiterbildung von und mit MigrantInnen nicht von Klischees verstellt werden dürfe.

Susanne Vogel von TIO e.V. in Berlin berichtete von einem Projekt zur Fortbildung in Büroberufen, an dem gut qualifizierte türkische Frauen nach der Familienphase teilnehmen. Es gehe nicht nur um Kurse zum Kochen, Backen und Nähen für MigrantInnen. Vielmehr werde ein solches berufsqualifizierendes Angebot gut angenommen. Auch hier zeige sich, dass Frauen gleich welcher Nationalität eine "angenehme Zielgruppe" seien, da sie Angebote, die auf sie zugeschnitten sind, bereitwillig akzeptierten.

Die bestehenden Curricula der Weiterbildung blenden die Lebensrealitäten von Frauen und Männern weitgehend aus und vermitteln Stereotypen.

Wie man Frauen und Männern in der Weiterbildung die Gender-Perspektive näher bringt, erläuterte in einem weiteren Beitrag Karin Derichs-Kunstmann vom Forschungsinstitut für Arbeiterbildung. Sie entwickelte in ihrem Vortrag die Grundlagen für eine geschlechtergerechte Didaktik in der Erwachsenenbildung. Die Prinzipien dieses Ansatzes sind es, keine Bevorzugung oder Benachteiligung auf Grund des Geschlechts zuzulassen. Die Teamenden sollen dazu befähigt werden, ihre Inhalte und ihr Verhalten darauf hin zu überprüfen.

Eine geschlechtergerechte Didaktik trägt damit zur Demokratisierung und Partizipation bei. Die bestehenden Curricula der Weiterbildung blenden, so Derichs-Kunstmann, die Lebensrealitäten von Frauen und Männern weitgehend aus und vermitteln Stereotypen. Es gehe daher darum, den "heimlichen Lehrplan", in dem die Bipolarität der Geschlechter und ihre Hierarchie suggeriert werden, zu durchbrechen.

Die Referentin verdeutlichte dies am Beispiel gewerkschaftlicher Bildungsarbeit: Dort sei es üblich, dass Teamende die Aufgabe hätten, in der Weiterbildung mit GewerkschafterInnen so genannte "Frauenthemen" einzubeziehen. Bisher ist das Männliche zumeist die Norm. Derichs-Kunstmann fordert dagegen, dass vermeintliche Frauenthemen wie 630-DM-Gesetz, Mutterschutz, Erziehungsurlaub und anderes in Arbeitsrechtsseminare einbezogen werden.

Auch Fragen von Mobilität und Zeitbudget sollten nicht nur auf die Frauenbildung angewendet werden, sondern zur systematischen Fortbildung von pädagogischen MitarbeiterInnen gehören. Im Gender-Training für Teamende wird für die Geschlechtsbezogenheit des eigenen Standpunkts sensibilisiert und die biografische Perspektive mit einbezogen.

Eva-Maria Bosch aus dem brandenburgischen Bildungsministerium leitete schließlich zur Schlussdiskussion über politische Strategien für mehr Chancengleichheit über. Auch sie unterstrich noch einmal, dass Ungleichheit in der Weiterbildung fortgeschrieben werde. Das Konzept des lebenslangen Lernens müsse daher auf Chancengleichheit überprüft werden. Auch die Frage, wie Selbstbestimmung und Nachfrage erzeugt würden, warte noch auf eine Antwort. Bosch plädierte für offene Lernformen, die Verbesserung der Zugangsbedingungen und Qualitätssicherung. Sie erwartet in diesem Zusammenhang von der Forschung mehr Input für die Weiterbildungspolitik, damit zielgerichteter gearbeitet werden kann. Auch der Ausbau der Infrastruktur und die pädagogische Weiterentwicklung stehen für sie ganz oben auf der Tagesordnung.

In der anschließenden Diskussion hob Klaus Luther, Referatsleiter im BMBF, hervor, dass die Befähigung für lebenslanges Lernen nicht allein in der Weiterbildung vermittelt werden könne. Dies sei ein Thema des gesamten Bildungssystems. Anders als in den Thesen Faulstichs vertrat er die Auffassung, die Rahmenbedingungen hierfür könnten nicht per Gesetz geschaffen werden. Nur über Kooperationen und Netzwerke wie in Schleswig-Holstein seien die Voraussetzungen für eine umfassende Weiterbildungsbeteiligung herzustellen. Das BMBF verfolge eine solche Vernetzungsstrategie gezielt.

Die Vorteile von Weiterbildungsverbünden bekräftigte auch Forumsleiter Faulstich. In den Feldern Werbung, Beratung und Qualitätssicherung bündelten sie Kapazitäten und sorgten damit für nützliche "Kartelle", von denen gerade kleine Träger profitierten. Die Zugangsmöglichkeiten würden so entscheidend verbessert. Eva-Maria Bosch unterstrich zudem, dass Weiterbildungsverbünde gerade in Flächenländern helfen, "weiße Flecken" zu verhindern. Insbesondere die ostdeutschen DiskutantInnen klagten die Berücksichtigung ihrer von der westlichen unterschiedlichen Bildungsbiografie während des Forumsverlaufs ein.

Kontrovers wurde die Frage diskutiert, welche Formen des Lernens in die Förderung mit einbezogen werden sollten. Die VertreterInnen der Institutionen standen hier den BefürworterInnen informellen Lernens außerhalb der Institutionen gegenüber. Eine Bundesrahmenregelung für die Weiterbildung wurde entgegen dem Votum des BMBF-Vertreters von den anderen DiskutantInnen befürwortet. Keinen Dissens gab es dagegen bei der Forderung, die Förderinstrumente in der Weiterbildung so zu verändern, dass sie tatsächlich dem Bedarf entsprechen und genügend flexibel sind.


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